Zu Gast in
der Stadt an der Leda
Ende Oktober fand die
4. Auflage des Leeraner Schachopen statt. Organisator Edzard Wirtjes hat
das Turnier mit kurzer Vorlaufzeit an den Start gebracht. Es ist immer
eine angenehme Sache, ein Turnier dieser Art spielen zu können, wenn
man nur 10 Autominuten entfernt seinen Wohnsitz hat! Um nicht in die Wohlfühlfalle
zu tappen, hatte ich mir wieder ein paar liebe Hausgeister herangeholt:
Von Bunde aus brachen mit mir noch Sebastian und Maik, später auch
Lukas, zu den Leeraner Schlachten auf.
Versuchen wir im Folgenden
einen Überblick bzw. Streifzug durch das Turnier. Allerdings kann
ich nur auf die schachlichen Taten von Bast und Maik rekurrieren. Sebastian
versuchte sich dabei am dreifachen Rittberger: Kurz zuvor absolvierte er
Auftritte in den Niederlanden
und in Frankreich.
Eine echte Tour de Force also. Hier immerhin mal ein Turnier der kurzen
Wege. Warum aber müssen nur die zum vollen Punkt immer so beschwerlich
sein?
Noch etwas zum Modus:
7 Runden CH, Bedenkzeit war „Fischer sehr kurz“, also 90 Min/40 + 15 Min
+ 30 Sek. Also nur 15 Minuten nach der Zeitkontrolle. Für mich immer
noch das kleinere Übel im Vergleich zu „Fischer noch etwas kürzer“
wie in Sebastians o.g. beiden Turnieren, wo man auf eine zweite Zeitkontrolle
gleich ganz verzichtete. Dworetzki - Gott habe ihn selig - beißt
vermutlich gerade in seine Endspieluniversität.
Donnerstag Nachmittag
Eröffnungskatastrophen
Sebastian - Sinnhöfer
(1852) 1:0
Pahl (2116) - Maik
1:0
Frank - Ewert (2265)
0:1
Ich gebe immer die
DWZ an.
Eröffnungskatastrophen
bei Bast und Maik, allerdings bei Sebastian zu Lasten seines Gegners. Wenn
auf dem Partieformular 8. Dxf7+ steht, ist meist irgendwas schiefgelaufen.
Bast schläferte den gegnerischen Wanderkönig wenig später
fachgerecht ein. Maik flankierte zu früh, sein Gegner konnte im Zentrum
vorstoßen und Maiks Koordination stören. Weiß wählte
in der Folge nicht immer das Strengste, aber unser Mann kam nicht mehr
so richtig in die Partie.
Interessanter war es
bei mir gegen Bremens jungen FM Hannes Ewert. Ich war schon nicht mehr
zufrieden mit meiner Stellung, als mein Gegner dann ein positionelles Qualitätsopfer
spielte. Da gingen die Abenteuer erst los…
Frank
- Ewert
Tja, gut gekämpft,
aber am Ende steht dann gegen „obere Hälfte“ halt viel zu oft doch
die Null.
Freitag Vormittag
Die Rückkehr
des Altmeisters
Dobrosmyslov (2262)
- Sebastian 0:1
Maik - Teichert (2035)
0:1
Hentrop (1753) - Frank
½:½
Ich spielte uninspiriert
und knabberte das gegnerische Zentrum im falschen Moment an. Mein Gegner
spielte dann zum Glück langsam, indem er einen Läufer abholte,
den er vorher schon passiv gestellt hatte. So konnte ich ausgleichen. Das
Endspiel hätte ich nach Meinung von Sebastian vielleicht noch etwas
spielen können, aber ich musste froh sein, dass nichts Schlimmeres
passiert war. Maik stand nach der Eröffnung schlecht, irgendwann verlor
er einen Bauern für nichts. Doch dann riss er sich zusammen und generierte
sinniges Gegenspiel. Als die Partie schließlich kurz vor dem Remis
stand, unterlief Maik, wohl in Zeitnot, noch ein Missgeschick:
|
Maik mit Weiß
am Zug
|
Hier hat Weiß
keine Probleme nach Tausch auf a6 nebst z.B. Te2 oder h4 etc. In Zeitnot
spielte Maik leider zuerst 34. Te2. Es folgte ... Lb7+ 35. Kg1
Sh3#.
Sebastian hingegen
traf auf den Altmeister Smyslov… nein, natürlich nicht ganz: Auf den
russischen Jungmeister Dobrosmyslov (Jg. 2000). Gegen einen in etwa gleichstarken
Gegner kann man die Big Points machen. Das dachten sich wohl beide Seiten
und ballerten auf den ganzen Punkt:
Dobrosmyslov
- Sebastian
Spitzenmäßiger
Start also für Bast in das Turnier. Komplizierte Partie mit Gewinnchancen
für beide Seiten. Lg5+ wäre der Hauptgewinn für Weiß
gewesen, am Ende hat er wohl übertrieben und hätte das Remis
mitnehmen sollen. Nach einer Mittagspause in Bunde ging es dann gleich
wieder an die Bretter. Zum Zeitschema am Ende nochmal ein Kommentar.
Freitag Nachmittag
Maiks Schockmoment
Sebastian - Thinius
(2356) ½:½
Klokgammer (1848)
- Maik 0:1
Frank - Weidemann
(2042) ½:½
Ich kam nicht ins Turnier…
Gegen einen jungen Gegner hatte ich nach etwa 25 Zügen eine Stellung
mit einem Mehrbauern aufgebaut, aber auch die anderen Stellungsmerkmale
lassen den Rechner deutlichen Vorteil anzeigen. Leider war ich sehr müde
an dem Nachmittag und begriff auch nicht, wie gut meine Stellung wirklich
war und fand nicht mehr als eine Zugwiederholung.
Sebastian stand etwas
verdächtig mit Weiß gegen IM Thinius. Er verlor schließlich
einen Bauern, hatte dann aber vernünftige Kompensation in dem Endspiel
mit seinem Läuferpaar. Bast spielte das Endspiel auch sehr sinnig
und teilte den Punkt in zwei Hälften. Hier das Endspiel mit nur leichter
Kommentierung:
Sebastian
- Thinius
Sinnig gespielt, wie
gesagt. Nun zu Maik, der nach zwei Nullen dringend was machen musste. Irgendwann
im Mittelspiel begann er, seinen Gegner zu überspielen und fuhr seine
Geräte am Königsflügel auf. In völliger Gewinnstellung
nagelte er schließlich auf f2 rein - und übersah, dass der Bauer
gedeckt war. Ein Schockmoment:
Klokgammer
- Maik
Da wäre Weiß
fast noch dem Sensenmann vom Klamottenhocker gehüpft! Den Durchatmer
von Maik konnte man bis Bunde hören.
Samstag Vormittag
Es
graute der Morgen
Jugelt (2351) - Sebastian
1:0
Maik - Kamp (2025)
½:½
Wahrenberg (1804)
- Frank 1:0
Nun war ich dran mit
einer Eröffnungskatastrophe. Nach einem völligen Blackout stellte
ich bereits früh in der Eröffnung f7 ein. Ich musste noch die
Qualle hinterherwerfen. Ich versuchte dann nochmal alles, aber mein Gegner
fiel auf keine Tricks mehr herein. Das Turnier drohte zum Rohrkrepierer
zu werden.
Bast hatte es mit dem
nächsten IM zu tun. Bislang ein sehr sinniges Turnier für ihn,
nun eine schwierige Aufgabe mit Schwarz. Nach ein paar Problemen schien
Sebastians Stellung vernünftig genug. Die Partie entschied sich dann
in der kritischen Phase vor der Zeitkontrolle:
Jugelt
- Sebastian
Das mit dem Überstehen
der Zeitnot ist übrigens etwas trügerisch. Es gibt ja nur weitere
15 Minuten Aufschlag. Da ist man schnell wieder vor Zeitprobleme gestellt,
bevor man richtig durchatmen kann.
Maik stand stark in
bzw. nach der Eröffnung, der Gegner konnte aber im Mittelspiel das
Ruder herumreißen. Doch auch er nutzte seine Möglichkeiten nicht
konsequent in einer eher zerfahrenen Partie. Schließlich tauschte
man alles runter in ein ungleiches Läuferendspiel. Unsere Hoffnungen
an diesem Tage mussten wir also auf die Nachmittagsrunde verlegen.
Samstag Nachmittag
Das Damengambit
Sebastian - Müller
(2046) 1:0
Silz (1984) - Maik
1:0
Frank - Peglau (1933)
½:½
In meiner Partie gegen
eine junge Gegnerin setzte sich zunächst mein bisher schlechtes Spiel
fort. Die Eröffnung war eher mäßig verlaufen, dann sah
ich mich plötzlich gutem Spiel am Damenflügel ausgesetzt. Hier
verlor ich einen Bauern. Das war etwas ein Erweckungsmoment für mich
von meiner bisherigen Turnier-Lethargie. Ich aktivierte mein Läuferpaar
und entwickelte aktives Gegenspiel. Immerhin rettete ich noch einen halben
Zähler.
Maik hatte ebenfalls
eine junge Gegnerin (Lukas in dieser Runde ebenfalls, daher das Motto der
Runde). Nach ein paar Eröffnungsproblemen war Maik aber schon nach
19 Zügen in einem ausgeglichenen Endspiel L+S vs. L+S mit symmetrischer
Bauernstruktur gelandet. Maik machte sich das Leben danach etwas unnötig
schwer, hätte aber ohne weiteres ein Remis holen müssen. Kurz
vor dem 40. strauchelte er. Ein weggeworfener, halber Zähler.
Sebastian wetzte mit
Weiß eine scharfe Klinge, schnitt sich dann aber fast selbst:
Sebastian
- Müller
Eine unsolide Partieanlage
und eine kritische Stellung. Als Bast dann aber einmal im Vorteil war,
ging es wie beim Brezelbacken. Der Abend war dann mal richtig entspannend:
Die Umstellung auf Normalzeit brachte eine zusätzliche Stunde Nachtruhe.
Bedeutete quasi: Rundenbeginn Sonntag, 10 Uhr! Für Morgenmuffel genau
das Richtige.
Sonntag Vormittag
Jetzt mach‘ aber
mal ‘nen Punkt!
Holtel (2316) - Sebastian
1:0
Fuhrmann (1990) -
Maik 0:1
Reuter (1861) - Frank
0:1
Bittere Runde für
Sebastian, der hart fightete, nachdem er irgendwann einen Bauern weniger
hatte. Aber ihm unterliefen leider zu viele leichte Fehler. Immer, wenn
er sich mal wieder rangerobbt hatte… Es war zum Verzweifeln. Bittere Partie.
|
Bast mit Schwarz
am Zug
|
Sebastian wehrte hier
mit f6 das Läuferschach ab, der Bauer kann aber natürlich einfach
genommen werden nebst Se4+. Danach war wohl nichts mehr drin, bis dato
hatte unser Mann gut gekämpft. Dass der Bauer f6, wenn er einen Läufer
auf e5 angreift, auch mal schnell ins Kästchen wandern kann, erfuhr
schon Spassky in seinem berühmten
Blackout in der 14. Partie in Reykjavik 1972.
Maiks Gegner stampfte
schon nach wenigen Zügen zwei Bauern weg, wobei Maik nur einen
davon mitnahm. Weiß warf danach am Königsflügel die Bauern
nach vorne, aber diese Medizin war schlimmer als die Krankheit. Die Bauern
fielen nach und nach Maik zum Opfer. Das war ein Himmelfahrtskommando -
nur ohne Hoffnung.
Nun war es an mir,
mein Turnierziel zu erreichen: Eine Schachpartie zu gewinnen. Ein paar
lauwarme Sitzbäder hatte ich ja in dem Turnier schon abgesessen, aber
langsam kam ich etwas in Schwung und lieferte endlich mal eine vernünftige
Partie ab. Gehen wir gleich zum entscheidenden Moment:
Reuter
- Frank
Ich glaube, der technische
Teil nach dem Bauerngewinn gelang mir ganz gut. Keine Kunst in der Stellung?
Für mich leider häufig wohl, darum war ich hier ganz zufrieden.
Sonntag Nachmittag
Das sinnloseste
Luftloch des Turniers
Sebastian - Werbeck
(1940) 1:0
Maik - Hoekstra (2059)
1:0
Frank - Heinemann
(2139) 0:1
Sebastian machte kurzen
Prozess mit dem Gambit seines Gegners, der nicht genug Spiel generieren
konnte. Als er den Bauern zurückbekam, geriet er in eine tödliche
Fesselung. Damit wurde Bast seiner Favoritenrolle vollauf gerecht, letztlich
konnte er damit ein paar Ratingpluspunkte sichern. Maik stand erst gut,
dann schlecht, kämpfte sich aber wieder in eine vorteilhafte Stellung:
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Maik mit Weiß
am Zug
|
Gemäß der
alten Maxime „man muss dem Gegner auch mal die Möglichkeit geben,
einen Fehler zu machen“ und der noch älteren „lasse nie ein Schach
aus…“ spielte Maik 29. Te8+. Nach der erhofften Antwort … Kf7?
folgte natürlich 30. Dxd3! Dxd3 31. Se5+ nebst einem gewonnenen
Endspiel, was Maik mit etwas Mühe dann auch ins Ziel brachte. Die
Doppel-Eins am letzten Turniertag machten das Open für Maik noch recht
erfolgreich.
Ich hatte eine gute
Stellung gegen meinen Oldenburger Vereinskameraden Ernst Heinemann, vergeudete
aber zu viel Zeit damit, den entscheidenden Schlag zu finden (den es nicht
gab). In Zeitnot geriet ich in eine Verluststellung, die mein Gegner aber
nicht ausnutzen konnte. Um aller Probleme Herr zu werden, produzierte ich
dann - immer noch in Zeitnot - einen Notausgang, woraufhin ich prompt durch
die Haupttür herausgezogen wurde:
Frank
- Heinemann
Und damit schließt
sich für mich der Kreis zur 1. Runde: Am Ende steht zu oft die Null.
Fazit:
Ein paar Zugewinne
bei Sebastian und Maik, leichte Verluste bei mir. Ansonsten mal schön,
wieder am Brett gewesen zu sein. Ein wie immer gut organisiertes Turnier,
Kaffee/Tee wurde wie immer vom Veranstalter geschmissen - gute Sache! Problem
bei mir, ähnlich wie beim Bremer Teilnehmer Olaf
Steffens, ist die frühe Anstoßzeit um 9 Uhr.
Aber alles kann man ja nicht haben! Vielleicht kann man die Nachmittagsrunde
eine Stunde später anpfeifen, damit man eine vernünftige Mittagspause
hat. Dauert es am Vormittag mal länger, bleibt häufig nicht mehr
viel von der Pause, nach hinten hin, also am Abend, hat man ja meist keine
Probleme. Aber es bleibt dabei: Ein schönes Turnier in entspannter
Atmosphäre.*
Hier noch der Link
zur Turnierseite:
Leer
Open
- frank modder,
16.11.2021
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Vorbereitung ist
alles. Die Rechner liefen heiß. Ich muß wohl mal anbauen!
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* Ok, leichte atmosphärische
Störungen verursachte ein nicht näher genannter Großmeister
nach einer Verlustpartie. |